Eine kurze Auffrischung für Retter

Einleitung 

Eine Präeklampsie, Eklampsie oder das HELLP-Syndrom sind Komplikationen während der Schwangerschaft, welche gerade in der Ausbildung von Rettungsfachpersonal eher nachlässig, bzw. nicht ausreichend behandelt und wiederholt werden. Grund dafür ist vermutlich das deutlich höhere Vorkommen anderer internistischer Notfälle im Rettungsdienst. Zudem sind die schwangerschaftsbedingten Notfälle oft nicht prüfungsrelevant, weshalb diese gerade zum Ende der Ausbildung hinten herunter fallen.

Gerade aber weil die Inzidenz der symptomatischen Präeklampsien [2][8] relativ gering ist, ist es für Rettungsfachpersonal wichtig die manchmal auch dezenten Hinweise richtig zu deuten und daraus die richtigen Entscheidungen bzgl. des weiteren Vorgehens und der Klinikwahl ableiten zu können.

Definition 

Die Präeklampsie gehört zu den schwangerschaftsinduzierten Hypertonien.

Bei einer Präeklampsie handelt es sich um eine neue (oder vorbestehende, bzw. sich verschlimmernde) Hypertonie mit syst. > 140 mmHg und diastolisch > 90 mmHg, die ab der 20. SSW auftritt und zusätzlich mindestens eine Organmanifestation zeigt: 

  • Meistens ist die Niere betroffen: Proteinurie (> 300mg/24 h oder Protein/Kreatinin-Ratio > 30 mg/mmol)

Die Präeklampsie kann asymptomytisch sein oder zu massiver Gewichtszunahme und sich rasch entwickelnden Ödemen in den nicht abhängigen Partien (Gesicht, Hände, „Der Ring passt nicht mehr“) führen. 85% der Schwangeren entwickeln physiologischerweise Ödeme. Diese alleine gelten daher nicht als Hinweis für eine Präeklampsie. Warnzeichen sind eine schnelle Ödembildung, sowie Gesichtsödeme. [9]

Außerdem kann es zu einer gesteigerten Reflexreaktivität kommen, die ein Hinweis auf eine neuromuskuläre Irritabilität sein können, welche sich möglicherweise zu Krampfanfällen weiterentwickelt (Eklampsie). [0]

Petechien können u.a. als Zeichen einer Gerinnungsstörung auftreten. [0]

In Abwesenheit einer Proteinurie kann die Diagnose trotzdem gestellt werden wenn eines der folgenden Symptome vorliegt [0]

  • zerebrale oder visuelle Symptome
  • Lungenödem
  • Thrombozytopenie ( < 100.000/mcL)
  • Niereninsuffizienz > 1,1mg/dl oder Verdopplung des Serum-Kreatinin bei Frauen ohne Nierenerkrankung
  • Leberfunktionsstörung

Eine „reine“ schwangerschaftsbedingte Hypertonie liegt vor wenn keine Proteinurie oder andere Kriterien erfüllt sind. Sie verschwindet i.d.R. innerhalb von 6-12 Wochen nach der Entbindung (postpartal). Im Rettungsdienst kann jedoch die Präeklampsie nicht ausgeschlossen werden, weswegen ein Transport in eine geeignete Klinik stets ratsam ist.

Eine chronische Hypertonie liegt vor wenn der Blutdruck bereits vor der 20. SSW erhöht war (bzw. erst dort dokumentiert wurde) oder er für länger als 12 Wochen postpartal bestehen bleibt und keine Zeichen einer Organmanifestation (auch laborchemisch) vorhanden sind.

Risikofaktoren für eine Präeklampsie sind [0]:

  • Nulliparität (Erstgebärend)
  • Bereits bestehende chronische Hypertonie
  • Diabetes mellitus
  • Frühes Gestationsalter (< 34+0 SSw)
  • Antiphospholipidsyndrom
  • Gefäßerkrankungen
  • Ältere (>35 J.) oder sehr junge (<17 J.) Mütter
  • Präeklampsie in der Familiengeschichte
  • Präeklampsie oder schlechter Verlauf früherer Schwangerschaften
  • Mehrlingsschwangerschaft
  • Adipositas
  • Thrombotische Erkrankungen

Die SIH & Präeklampsie kann in verschiedene Stadien unterteilt werden [7]:

StadiumSymptome
leichte bis mittelschwere schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (SIH)systolischer RR
> 140 mmHg, diastolischer RR > 90 mmHg, keine Proteinurie
schwere SIHsystolischer RR
> 160 mmHg, diastolischer RR > 110 mmHg, keine Proteinurie oder Neuropathologie 
PräeklampsieSIH mit z.B. Proteinurie nach der 20. SSW, ggf. Ödeme 
Schwere PräeklampsieZNS-Störungen, Symptome einer gespannten Leberkapsel, Übelkeit, Erbrechen, systolischer Druck > 160 mmHg oder diastolischer Druck > 110 mmHg (bei zwei Messungen im Abstand von 4h), Lungenödem / Dyspnoe / Zyanose, Schlaganfall
EklampsieTonisch-klonische Krampfanfälle auf dem Boden einer Präeklampsie oder SIH 
HELLP-SyndromHämolyse, erhöhte Leber- enzyme, erniedrigte Thrombozyten 
Tabelle von Christian Volberg, Punkt „schwere Präeklampsie“ ergänzt von B. Klein

Die Symptome der schweren Präeklampsie im Einzelnen: 

  • ZNS-Störungen (z.B. starke Kopfschmerzen die nicht auf Schmerzmittel ansprechen, Bewusstseinstrübungen, Sehstörungen, Verwirrtheit)
  • Schmerzen im rechten Oberbauch oder der Magengegend durch Spannung der Leberkapsel
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Systolischer RR > 160mmHg oder diast. > 110mmHg (bei zwei Messungen im Abstand von 4h)
  • Thrombozytopenie < 100.000/mcL
  • Urinausscheidung < 500 ml/24 h
  • Lungenödem oder Zyanose / Dyspnoe
  • Schlaganfall (selten)

Die Eklampsie 

Es handelt sich hier um tonisch-klonische Krampfanfälle, die im Rahmen einer Schwangerschaft auftreten. Häufig treten diese mit einer Präeklampsie auf. 

Ursächlich ist vermutlich eine Mikrozirkulationsstörung, welche durch eine hypertoniebedingte Vasokonstriktion und Endothelschädigung zu Mikrothromben führt und dadurch Krampfanfälle auslöst. In seltenen Fällen kann die Eklampsie auch ohne Hypertonie auftreten (insb. bei rascher Ödembildung und Proteinurie). [10]

Sie tritt bei 0,1% aller Schwangerschaften und bei 0,5 bis 3% aller Präeklampsien auf. [10]

Prodromi für eine Eklampsie ist die Hyperreflexie! Diese ist stets zu beachten!

HELLP-Syndrom 

Das HELLP-Syndrom ist eine schwerwiegende Komplikation/Verlaufsform der Präeklampsie (wobei bisher unklar ist ob es sich um ein eigenes Krankheitsbild, oder eine Komplikation handelt). Es kann auch ohne einen vorherigen Krampfanfall (Eklampsie) auftreten. 

Das HELLP-Sydrom ist sowohl für die Mutter, als auch für das Ungeborene lebensbedrohlich!

Das Akronym bildet sich aus folgenden Wörtern:

H: Hämolyse

EL: Erhöhte Leberenzyme

LP: Low Platelet (Thrombozytopenie)

  • Betrifft 0,1 – 0,2% aller Schwangerschaften in Deutschland und 
  • 10 – 20% aller Patientinnen mit Präeklampsie
  • Tritt gehäuft bei Erstgebärenden (Nullipara) auf
  • 69% treten präpartal auf, 31% treten postpartal (nach der Geburt) auf! [1]

Die Diagnose kann nur laborchemisch verifiziert werden. Weiterhin sollte bei V.a. Präeklampsie  immer ein HELLP-Syndrom ausgeschlossen werden.

Wann begegnen uns diese Patienten im Rettungsdienst?

Eine bekannte „reine“ Präeklampsie wird in der Regel – und je nach Ausprägung – in ambulantem Setting behandelt. 

Der RD kommt i.d.R. erst dazu wenn plötzlich Symptome einer schweren Präeklampsie oder generalisierte Krampfanfälle in Form einer Eklampsie auftreten. 

Seltener sind Patientinnen, die rein aufgrund des erhöhten Blutdrucks anrufen.

Szenario 1: Rein erhöhter Blutdruck ohne Symptome einer Organmanifestation oder einer schweren Präeklampsie 

  • Engmaschiges Monitoring der Vitalparameter 
  • Kontrolle des Mutterpass 
  • Kontrolle der Risikofaktoren
  • Nach telefonischer Rücksprache mit nächstgelegener gynäkologischer Abteilung diese anfahren

Szenario 2: Erhöhter Blutdruck mit Symptomen einer schweren Präeklampsie oder Eklampsie

  • Stress vermeiden
  • Ggf. AW sichern und Absaugbereitschaft
  • NEF-Ruf
  • Engmaschiges Monitoring der Vitalparameter
  • I.v.-Zugang 
    • Ggf. Magnesiumsulfat durch NA (1. Wahl)
    • Ggf. antikonvulsive Therapie durch NFS mit Midazolam (2. Wahl)
  • O2-Gabe
  • Nach tel. Rücksprache mit Perinatalzentrum (oder auch Neonatologie) diese mit Alarm anfahren 

Liegt eine vitale Bedrohung durch eine (Prä)Eklampsie vor ist eine prophylaktische Magnesium-Gabe bereits durch den Notarzt großzügig in Erwägung zu ziehen: 4-6 g in 50ml NaCl über 20 Minuten. (Bei Präeklampsie zur Eklampsieprophylaxe und bei Eklampsie zur Vermeidung weiterer Anfälle). [3]

Als Antidot bei einer Überdosierung von Magnesium kann Calciumgluconat (1g) verabreicht werden. Zeichen einer Überdosierung sind Adynamie und Atemstillstand. Weiterhin sollte während der Gabe der Patellarsehnenreflex fortwährend geprüft werden. [5]

Mittel der 1. Wahl bei eklamptischen Anfällen ist Magnesium-Sulfat. Es wirkt antihypertensiv und antikonvulsiv. Bei Nichtverfügbarkeit eines NEF und anhaltendem Krampfanfall können Notfallsanitäter im Rahmen ihrer SAA antikonvulsiv mit Midazolam als Mittel der zweiten Wahl intervenieren. [4] [6] [7]

Urapidil ist für Notfallsanitäter bei Schwangeren nicht angezeigt. Eine weitere Blutdrucksenkung darf nur durch den NA erfolgen.

Fazit

  • Trotz und gerade wegen der Seltenheit dieser Erkrankung ist es sowohl für ärztliches, als auch für nicht-ärztliches Personal im Rettungsdienst unerlässlich die Warnzeichen zu erkennen um entsprechende Konsequenzen zu ziehen. 
  • Auch bei Frauen, die gerade erst entbunden haben besteht ein nicht zu verachtendes Risiko.

Quellen:

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